Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am 30.03.2016, Az. 9 U 171/15, entschieden, dass eine Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse unberechtigt ist. Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob der Bausparkasse ein Kündigungsrecht zusteht, wenn der Vertrag seit längerer Zeit zuteilungsreif, die volle Bausparsumme aber noch nicht erreicht ist, hat das Oberlandesgericht Stuttgart zugunsten der Bausparer entschieden und ein Kündigungsrecht der Bausparkasse verneint.
Kein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
Das Oberlandesgericht Stuttgart verneint ein Kündigungsrecht der Bausparkasse nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Das Gericht begründet dies damit, dass die Bausparkasse das als Darlehen anzusehende Bausparguthaben so lange nicht vollständig empfangen hat, bis die Bausparsumme erreicht ist. Die Zuteilungsreife spielt nach der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart hierfür keine Rolle.
Der Bausparvertrag war bei Kündigung seit knapp 22 Jahren zuteilungsreif, die Bausparsumme aber noch nicht vollständig angespart. Der streitgegenständliche Bausparvertrag wurde 1978 geschlossen. Die klagende Bausparerin hatte die Sparraten nach Erreichen der Zuteilungsreife im Jahr 1993 eingestellt.
Bausparkassen sind nicht schutzwürdig
Das Oberlandesgericht Stuttgart hält die Einstellung der Sparraten durch die Bausparerin zwar für vertragswidrig. Hiergegen hätte sich die Bausparkasse aber nach den Vertragsbedingungen wehren können, indem sie die Bausparerin zur Aufnahme der Ratenzahlungen aufgefordert hätte. Hätte die Bausparerin dem nicht Folge geleistet, hätte die Bausparkasse ein vertragliches Kündigungsrecht gehabt. Wenn die Bausparkasse selbst das Ruhen des Vertrages hinnimmt und ein vertragliches Kündigungsrecht nicht wahrnimmt, ist sie nach Auffassung des Gerichts nicht schutzwürdig.
Revision zugelassen
Da die maßgeblichen Rechtsfragen in diesem Fall grundsätzliche Bedeutung haben und andere Oberlandesgerichte zugunsten der Bausparkassen entschieden haben, wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Mit einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof kann wohl erst im nächsten Jahr gerechnet werden.
Unsere Empfehlung
Bausparer sollten die Kündigung eines hoch verzinsten Bausparvertrages rechtlich prüfen lassen, wenn die volle Bausparsumme noch nicht angespart ist. Mit einem Entgegenkommen der Bausparkassen kann leider weiterhin nicht gerechnet werden. Wir empfehlen die Abwehr der Kündigung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt. Wir beraten Sie gerne!